1 plus 1 gleich 3

Ich kann ziemlich schlecht Kopfrechnen.

Viele Menschen glauben, Mathe sei Rechnen:

1 plus 1
49 mal 31
21ste Wurzel aus 10460353203

Sie wundern sich dann immer, wenn ich etwas ausrechnen soll und ewig brauche oder zu meinem Smartphone greife und das ganze in den Taschenrechner eingebe. „Aber du hast doch Mathe studiert, du musst das doch können!“ – Nein. Mathematik, zumindest diejenige, mit der man sich im Mathestudium beschäftigt, hat mit Rechnen ungefähr so viel zu tun, wie ein Ölgemälde mit einer gestrichenen Wand.

Aber was ist das mathematische Ölgemälde? Was hat man sich darunter vorzustellen? Eine mögliche Antwort auf diese Frage lautet: Das Ölgemälde der Mathematik besteht aus Aussagen. Aussagen sind die Ölfarben, also die Bausteine, aus denen sich das Bild zusammensetzt.

Und was ist das genau, eine Aussage? Aussagen sind Sätze, Formulierungen, Gleichungen oder ähnliches, die sich durch eine Eigenschaft auszeichnen: Sie können entweder wahr oder falsch sein. „1 plus 1“ zum Beispiel ist keine Aussage. Denn auf „1 plus 1“ kann man nicht mit ja oder nein antworten. Man kann nicht sagen: „1 plus 1“ ist wahr oder „1 plus 1“ ist falsch. Fügt man aber noch etwas hinzu: „1 plus 1 ist gleich 3“, dann wird es zu einer Aussage, denn die meisten von euch werden jetzt sofort protestieren: das ist doch falsch. Darüber kann man sich zwar streiten, man kann sich fragen, wie denn 1 und 3 definiert sind, was das „plus“ und das „gleich“ bedeuten und ob die Aussage nun wirklich falsch ist. Aber egal wie man es sich zurecht bastelt, „1 plus 1 gleich 3“ ist immer entweder falsch oder richtig.

Aussagen können aber auch anders aussehen: „die natürliche Zahl 2 ist gerade“ ist zum Beispiel eine wahre Aussage (sofern man vorher genau festlegt, was eine natürlich Zahl ist und was gerade bedeutet). „Alle natürlichen Zahlen sind interessant“ ist eine Aussage, nebenbei eine meiner Lieblingsaussagen, über die ihr zum Beispiel hier nachlesen könnt (oder, wenn ihr etwas Geduld habt, vielleicht bald auch hier im Blog). Auch die in den vorherigen Artikeln behandelten Sätze „Wenn es regnet, ist die Straße nass“ und „Wenn ich keine Hufe habe, bin ich kein Pony“ sind Beispiele für Aussagen, wenn auch etwas weniger mathematisch.

Und wie entssteht aus den einzelnen Aussagen ein Ögemälde? Es gibt viele Möglichkeiten, aus einer oder mehreren Aussagen neue Aussagen zu basteln, die man dann wiederum zusammensetzen, weiter verarbeiten und entwickeln kann. Und so entstehen aus den Grundbausteinen neue Konstrukte, Gebilde und Theorien.

Bin ich ein Pony?

Im letzten Beitrag habe ich mich mit der Aussage „aus dem Falschen folgt das Beliebige“ beschäftigt. Ich habe zwei Aussagen betrachtet, deren Gültigkeit voneinander abhängt, und untersucht, welche möglichen Konstellationen zu einer erlaubten Situation führen. Man erinnere sich an das Ergebnis: negiere ich die linke Seite einer Folgerung („es regnet“ wird zu „es regnet nicht“), dann sind beide möglichen Versionen der Aussage auf der rechten Seite erlaubt („die Straße ist nass“ und „die Straße ist nicht nass“).

Nun verwende ich diese Überlegungen um mir anzuschauen, was passiert, wenn ich eine Folgerung „umdrehe“. Was meine ich mit „umdrehen“? Da gibt es zwei Möglichkeiten: Habe ich die Folgerung „wenn A wahr ist, dann ist auch B wahr“, dann kann ich einerseits die Formulierung „wenn A falsch ist, dann ist auch B falsch“ untersuchen und andererseits „wenn B wahr ist, dann ist auch A wahr“.

Um das ganze anschaulicher zu machen, bekommen A und B wieder konkrete Inhalte: statt A verwende ich die Aussage „ich bin ein Pony“, aus B wird „ich habe Hufe“. Dann ist „aus A folgt B“ richtig, denn ein Pony hat Hufe und wenn ich ein Pony bin, habe ich natürlich auch welche. Wie sehen die beiden Umkehrungen aus? Die erste wird zu „wenn ich kein Pony bin, dann habe ich keine Hufe“, die zweite lautet jetzt „wenn ich Hufe habe, dann bin ich ein Pony“. Sind diese Umkehrungen erlaubt?

Nein! Hier kommen die Überlegungen aus dem Vorgängerbeitrag zum tragen. Es gibt drei Szenarien, die (theoretisch :D) möglich sind: 1. Ich bin ein Pony und habe Hufe oder 2. ich bin kein Pony und habe keine Hufe oder 3. ich bin kein Pony und habe trotzdem Hufe. Denn ich könnte ja auch ein Pferd sein, eine Kuh, eine Ziege oder womöglich ein fliegendes Rentier mit roter Nase! Das heißt: Wenn ich kein Pony bin, dann bedeutet das nicht automatisch, dass ich auch keine Hufe habe. Die Umkehrung „wenn ich kein Pony bin, dann habe ich keine Hufe“ ist also falsch. Und wenn ich Hufe habe, dann bedeutet es nicht automatisch dass ich ein Pony bin. Also ist auch die Formulierung „wenn ich Hufe habe, dann bin ich ein Pony“ nicht richtig.

Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, die Folgerung „wenn A wahr ist, dann ist B wahr“ umzudrehen, nämlich „wenn B falsch ist, dann ist auch A falsch“. In der Ponywelt bedeutet das „wenn ich keine Hufe habe, dann bin ich kein Pony“. Und diese Aussage ist richtig, denn ich weiß, dass ein Pony Hufe hat und ich deswegen Hufe haben muss, wenn ich ein Pony bin. Habe ich allerdings keine Hufe, dann kann es auch nicht sein, dass ich ein Pony bin.

Da ich diesen Beitrag auf einer Computertastatur getippt habe und dafür mindstens achteinhalb meiner zehn Finger zum Einsatz kamen, könnt ihr ziemlich sicher davon ausgehen, dass ich keine Hufe habe. Und was schließen wir daraus? Ich bin kein Pony, zumindest nicht von außen!

Wenn es regnet…

Ein grundlegendes Werkzeug der Mathematik ist die logische Folgerung: Wenn Aussage A gilt, dann gilt auch Aussage B. Verwendet wird die Folgerung meistens in der Form, dass man einen bereits bewiesenen Sachverhalt verwendet um einen anderen zu zeigen.

Kennt man beispielsweise für zwei natürliche Zahlen das Kommutativgesetz x+y=y+x, so kann man daraus folgern, dass x+y+x+y=2x+2y ist. Wie macht man das? Man nimmt den mittleren Teil des linken Ausdrucks: y+x. Wegen des Rechengesetzes weiß man: Wenn x und y natürliche Zahlen sind, dann haben y+x und x+y den gleichen Wert. Also ändert sich der Wert des Ausdrucks nicht, wenn ich y+x durch x+y ersetze. Ausgeschrieben sieht das dann so aus: x+(y+x)+y=x+(x+y)+y. Die Klammern habe ich eingefügt um zu verdeutlichen, wo sich etwas geändert hat. Sie sind aber nicht nötig, ich kann also auch schreiben: x+y+x+y=x+x+y+y. Weil ich aber weiß, dass x+x=2x und y+y=2y ist, kann ich auch x+x+y+y umformen: x+x+y+y=2x+2y. Jetzt weiß ich also, dass x+y+x+y das Gleiche ist, wie x+x+y+y, was wiederum das Gleiche ist wie 2x+2y. Daraus folgt, dass x+y+x+y und 2x+2y auch gleich sind: x+y+x+y=2x+2y.

In diesem Beispiel wird an einigen Stellen eine Folgerung verwendet und zwar immer auf die selbe Art und Weise: Man weiß oder nimmt an oder geht davon aus („aus Gründen“) dass ein bestimmter Sachverhalt wahr ist und verwendet diesen Sachverhalt um zu begründen, warum dann ein anderer Sachverhalt ebenfalls wahr ist. Die Folgerungen haben also immer die Form: Wenn A wahr ist, dann ist auch B wahr.

Nun hat aber so mancher vielleicht schonmal den Satz gehört: „Aus dem Falschen folgt das Beliebige.“ Was hat man sich denn bitte darunter vorzustellen? Was bedeutet „das Falsche“, „das Beliebige“? Und wie können die denn eigentlich auseinander folgen? Das geht so: Bisher waren A und B immer beide wahr. Die Logiker kennen aber noch drei weitere mögliche Konstellationen: 1. A und B sind beide falsch. 2. A ist falsch und B ist wahr. Und 3. A ist wahr und B ist falsch. (4. ist dann der Fall den wir schön kennen: A und B sind beide wahr.)

Das klingt sehr abstrakt, deswegen bekommen A und B jetzt mal ein bisschen Inhalt: Statt A verwende ich ab jetzt „es regnet“ und für B setze ich „die Straße ist nass“ ein. Dann bedeutet „A ist wahr“, dass es tatsächlich regnet und „B ist wahr“, dass die Straße nass ist. Umgekehrt bedeutet „A ist falsch“, dass es nicht regnet und „B ist falsch“ dass die Straße nicht nass ist. Wie sehen damit jetzt meine vier Fälle aus? Erstmal der Fall 4, den wir jetzt schon ganz gut kennen: Es regnet und die Straße ist nass. Oder als Folgerung formuliert: Wenn es regnet, dann ist die Straße nass. Sollte die Straße nicht zufällig überdacht sein oder sonst irgendeine Gemeinheit mein schönes Beispiel kaputt machen, so ist diese Aussage sicher richtig. Aus wahr folgt also wahr. Was ist mit Fall 3? Es regnet und die Straße ist nicht nass. Da es nach wie vor keine Dächer oder Gemeinheiten gibt, ist die Aussage „wenn es regnet, ist die Straße nicht nass“ falsch. Anders formuliert: aus wahr folgt nicht falsch.

Was passiert aber in den anderen beiden Fällen? In beiden Fällen ist A falsch, das bedeutet es regnet nicht. Erster Fall: Es regnet nicht und die Straße ist nicht nass. Jeder wird mir vermutlich glauben, dass dieser Fall erlaubt ist. Und was ist mit dem zweiten Fall? Es regnet nicht und die Straße ist nass. Naja, auch das kann passieren: Vielleicht hat es bis grade geregnet und die Straße ist noch nass. Oder jemand hat einen (oder 10!) Eimer Wasser auf der Straße ausgeschüttet. Zumindest kann mir keiner garantieren, dass die Straße trocken ist, wenn es nicht regnet. Also: „aus falsch folgt falsch“ und „aus falsch folgt wahr“ ist beides erlaubt.

Und genau das will uns der merkwürdige Merksatz „Aus dem Falschen folgt das Beliebige“ sagen: „Das Falsche“ bedeutet, es regnet nicht. Und „das Beliebige“ bedeutet, sowohl eine nasse als auch eine trockene Straße sind in diesem Fall möglich.

Wie fang ich an?

Der erste Post. Eigentlich würde ich von diesem Post erwarten, dass er das Blog vorstellt oder ein Konzept beschreibt. Vielleicht ein bisschen was dazu erzählt, was hier passieren soll und was es hier in Zukunft zu lesen gibt.

Nun verhält es sich allerdings so, dass ich bisher noch weitgehend konzeptfrei bin. Zumindest was das Bloggen angeht. Und da sich über ein mangelndes Konzept nicht annähernd so viel Unterhaltsames berichten lässt, wie über schlaue Theorien und kreative Ideen, brauche ich für meinen ersten Post wohl ein anderes Thema.

Glücklichweise gibt es da ja noch das Bild im Header als Aufhängepunkt: Vor kurzem bin ich mit dem Rubik’schen Fieber infiziert worden, als ich das erste mal seit vielen Jahren wieder einen Zauberwürfel in der Hand hatte. Mein Gehirn, von meinem kürzlich beendeten Mathestudium noch brav darauf trainiert, logische Konstrukte sofort genauer zu untersuchen, hat sich auf diesen Würfel gestürzt und wollte am liebsten in der nächsten Stunde eine Lösung produzieren. Was natürlich nicht gelang. Nicht nur eine, sondern fast drei Stunden habe ich abwechselnd gegrübelt und den Urheber dieser Katastrophe, einen geübten Würfler und Besitzer des Exemplares, das ich in Händen hielt, um Rat gebeten. Anschließend war ich kaum einen Schritt weiter und musste zu meinem großen Bedauern den Würfel wieder hergeben.

Meine in Gang gekommenen Gehirnwindungen ließen sich davon freilich nicht beeindrucken und vor meinem inneren Auge drehte sich der Würfel weiter, ohne dass meine Vorstellungskraft ausgereicht hätte, ihn im Kopf sinnvoll abzubilden, geschweige denn der  Lösung näher zu kommen. Und was tut ein iPhonebesitzendes Nerdmädchen da? Genau: ab in den Appstore, Zauberwürfelapp laden. Damit war mein Schicksal besiegelt, denn was könnte die Anziehungskraft eines Knobelspiels noch mehr potenzieren, als es auf meinem heißgeliebten Fingerbeschäftigungsapparat jederzeit dabei zu haben.

Jetzt konnte ich mich also ungehindert und zeitlich weitgehend unbegrenzt – so eine Nacht ist schließlich lang – dem Gewürfel widmen. Durch viel Grübeln und Knobeln und mit den Tipps meines Würfelgurus im Hinterkopf gelang es mir schließlich, zwei der drei Ebenen zu lösen, für die dritte fehlte mir aber weiterhin jeder Ansatz. Alle Versuche endeten nur in der grenzenlosen Katasprophe, wieder zu zerstören, was bisher gelungen war. Völlig verzweifelt habe ich mich schließlich dazu durchgerungen, das Internet zu fragen, und die rettenden Algorithmen ergooglet. Diese auswendig zu lernen war dann nur noch eine Frage der wiederholten Anwendung und einen Tag sowie eine gründliche Akkuladung später verbrachte ich eine vierstündige Zugfahrt ausschließlich damit, ein ums andere Mal vor Glück zu zerfließen, wenn mir wieder eine Lösung gelungen war.

Praktischerweise fand all das kurz vor Weihnachten statt. Das Christkind wurde also kurzerhand dazu verdonnert, mir einen eigenen Würfel zu schenken, denn auf die Dauer begannen mir – iPhone hin oder her – die Haptik und die Anschauung doch ein wenig zu fehlen. Mit dem echten Rubik’s Cube wurde dann fleißig weiter geübt und nachdem er inzwischen gut geschmiert und ein bisschen rausgeputzt ist, begleitet er mich überall hin und hat sich schon in mancher Situation als Gesprächskatalysator entpuppt.

Und jetzt wurde er zum Titelbild meines Blogs und zum Hilfsmittel um mich euch ein bisschen vorzustellen. Wie es sich für eine echte Wissenschaftlerin gehört, habe ich inzwischen auch angefangen, mich mathematisch mit dem Zauberwürfel zu befassen. Falls ich dabei auf interessante und formulierbare Erkenntnisse stoßen sollte, werdet ihr in nächster Zeit an dieser Stelle zum Beispiel darüber lesen können.